Parlamentarismus

Eines meiner wesentlichen politischen Anliegen war und ist die Stärkung des Parlamentarismus. Als Politiker, aber auch als Bürger dieses Landes, werde ich nicht müde, die Notwendigkeit eines unabhängigen Parlamentarismus zu betonen, zu fordern und zu fördern.

Der aktuell in der Diskussion stehende Entwurf eines „Demokratiepaketes“ birgt meiner Ansicht nach hochbrisanten politischen Sprengstoff. Weil es – frei nach Polybios – die Gefahr in sich trägt, den Weg von der Demokratie zur Ochlokratie zu öffnen (die Masse herrscht und nicht das Volk). Darin würde ich vor allem unser repräsentativ parlamentarisches Verfassungsmodell massiv in Frage gestellt sehen. Wir würden zur Reise von der Zweiten in die Dritte Republik aufbrechen, wenn selbst Verfassungsgesetze durch Plebiszite ohne entscheidende Mitwirkung des Parlaments nachhaltig geändert oder außer Kraft gesetzt werden könnten. Denn dadurch würde das Verfassungshaus unserer demokratischen Republik in seinen Grundfesten erschüttert werden.

Worum geht es im Detail?

Volksbefragung ja, aber mit Bedacht gewählt: Daher keine Befragung zu Verfassungsgesetzen, der Verfasstheit des Parlaments und zu Steuer-, Abgaben- und Budgetthemen. Naturgemäß auch nicht zu Grund- und Freiheitsrechten der Bürger, den Menschenrechten sowie EU Legistik und völkerrechtlichen Verträgen. Darüber hinaus sollten auch zentrale gesellschaftspolitische Fragen nicht vornehmlich über Plebiszite entschieden werden.

Auf der anderen Seite bedarf das Vertrauen in den Parlamentarismus konsequenter und nachhaltiger Stärkung, damit Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen durch die Abgeordneten wieder engagiert und zuverlässig wahrgenommen sehen und wissen. Mit einem Wort, es ist harte Arbeit zu leisten, um von Politikern mit fragwürdigem Image neuerlich zu jenen „Volksvertretern“ zu gelangen, die die Verfassung meint.

Voraussetzung hierfür sind sachkompetente, selbstbestimmte und engagierte Menschen, die bereit sind, sich für eine bestimmte Zeit ihres Lebens auch dieser öffentlichen Aufgabe zu widmen. Sie benötigen den Mut und die Fähigkeit, im Fall des Falles ihr Gewissen und ihre Überzeugung auch gegen eine Parteilinie oder – als Regierungsabgeordnete –gegen die Wünsche von Minister zu behaupten und daran festzuhalten. Jedenfalls immer dann, wenn sie Interessen der von ihnen vertretenen Bürger gefährdet sehen. So empfinde ich auch meinen Auftrag.

John Locke`s Prinzip der Gewaltenteilung ist die Basis jeder Demokratie. Die getrennte Verantwortung von Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (Justiz) schafft Machtgleichgewicht und wechselseitige Kontrolle und ist auf diese Weise ein unabdingbarer Bestandteil unserer im Vergleich mit den Demokratien anderer Länder jungen Staats – und Regierungsform. Das hat zur Konsequenz, dass jede Veränderung der durch die Verfassung sorgfältig ausbalancierten Funktions- und Machtverteilung in allen ihren Wirkungen genau zu bedenken und zu prüfen ist.

Wir müssen unseren Bürgern ihre Freiheit sichern und Verantwortung für die res publica übertragen. Und wir müssen das unter Bedachtnahme auf unsere Verfassungsstruktur tun. Eine der zentralen Möglichkeiten stellen die alle fünf Jahre stattfindenden Nationalratswahlen und die im Zuge derer zu wählenden Abgeordneten dar. Es gilt, nach engagierten, kompetenten, selbstbewussten und geistig wie wirtschaftlich unabhängigen Persönlichkeiten zu suchen, die bereit und in der Lage sind, seriös Vertretungsverantwortung zu übernehmen. In dieser Beziehung schafft das „Demokratiepaket“ neue Chancen durch eine deutliche Verstärkung des Persönlichkeitswahlrechtes.

Daher: JA zu einem glaubwürdigen und starken Parlamentarismus, der seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe und der Erwartung der Wählerinnen und Wähler gerecht wird. NEIN aber zu einer boulevardgetriebenen Kampagnendemokratie und einen mit ihr ungewissen Weg in Richtung Dritte Republik.

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