EU – Ein falsches Wort

Seit Oktober bin ich nun einer von 12 ÖsterreicherInnen, der die österreichische Zivilgesellschaft im Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union repräsentiert. Bis heute war ich ca. 10 Mal in Brüssel: bei diversen Sitzungen, Pleni und auch Studiengruppen.

Mit Jänner 2016 bin ich zum Berichterstatter der Stellungnahme „Wirtschaftspolitik in der Eurozone“ ernannt worden. Und aufgrund meiner dortigen Erlebnisse, möchte ich jetzt ein Tagebuch verfassen. Oder wie es eben heutzutage heißt: einen Blog. Mehr oder weniger regelmässig. Anlaßbezogen. Durchaus mit ironischen Betrachtungen. Aber mit einer großen Verehrung für die Idee Europa.

Fauler Kredit

Nach einer fast 7 stündigen Sitzung bin ich gerade soeben der Meinung: Europa ist ein Übersetzungsfehler und scheitert vorallem fast ausschließlich an seiner Sprachenvielfalt. Und der dahinter stehenden Mentalität. Und wiederum an der dahinterstehenden Kultur, Auffassung, Geschichte, Tradition. Warum ich mir das ausgerechnet heute – und nur heute (!) – denke?

Lesen Sie dazu Folgendes:

In meiner Stellungnahme plädiere ich unter anderem für den dringenden Abbau von faulen Krediten in den Bilanzen der Banken. Nichts Besonderes und eigentlich etwas Logsiches denken Sie? Was den Sachverhalt selbst angeht, vielleicht.

Aber aufgrund der europäischen Sprachenvielfalt entspann sich ein fast 30-minütiger Diskurs über die unterschiedliche Übersetzung von „faulen Krediten“:

Im Englischen war es noch einfach: „Non performing loans.“
Im Flämischen wurde es schon aggressiver: „Giftige Kredite“.
Im Finnischen wurde gar von „stinkigen“ Krediten gesprochen.
Und der Italiener verstand unter faul „Pigro“ – also arbeitsunwillig.

Ich frage mich, wieviel an Subtilität, Wortwitz aber auch an Worten zwischen den Zeilen (einer DER diplomatischen Hochkünste) durch die Übersetzung verloren gehen. Und dadurch auch die europäische Idee hier und dort verliert. Wörter werden falsch übersetzt, bringen andere Zusammenhänge, verursachen gar diplomatische Krisen. Zuletzt hatten wir das bei Medwedews Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Von welchem Krieg sprach er? Weltkrieg? Weltbetroffenen Krieg? Weltumspannenden Krieg? Neuer Krieg?

Ich dachte an die Gipfeltreffen der 80er Jahre zwischen Gorbatschow und Reagan. Wer machte hier eigentlich Weltpolitik? Der Politiker oder der Dolmetscher?

Am Ende haben wir uns auf die englische Version als Verständnisgrundlage geeinigt. Wobei der Nachsatz fiel: „Use British English„.

Zumindest als EU – Hauptsprache wird es so schnell keinen Brexit geben.

 

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