Europäischer Venture Capital Fonds (EuVECA) – ja, wir sprechen von Risikokapital. Ein Begriff, der sich in der europäischen Finanzierungswelt – insbesondere in Kontinentaleuropa – nur sehr langsam durchsetzt. Eines der Hauptprojekte der aktuellen EU-Kommission ist die Kapitalmarktunion.
In den USA gang und gäbe (die Unternehmen in USA sind zum großteil Kapitalmarktfinanziert), in Europa hingegen sind die KMUs über die Banken mit Krediten finanziert, da es besonders für die kleineren Unternehmen bis dato de facto unmöglich ist, die Anforderungen für eine Kapitalmarktfinanzierung zu erfüllen. Und auch das Risiko dementsprechend gross ist.
EuVECA – EuSEF
Das Zauberwort der EU-Kommission auf dem Weg zu einer Kapitalmarktunion heisst nun Europäischer Risiko Kapital Fonds (EuVECA) und Europäischer Fonds für Soziale Unternehmen (EuSEF). Aus den beiden Begrifflichkeiten ist eines sofort ersichtlich: es sollen „europäische“ Fonds werden, das heisst Fonds europäischen Zuschnitts, die die traditionell wichtige Rolle des Bankkredits als Finanzierungsinstrument der KMUs berücksichtigen und ergänzen. Mit dem EuSEF wird ausserdem der Anspruch verbunden, Unternehmen mit Eigenkapital zu finanzieren, die einen sozialen Mehrwert für die Gesellschaft haben.
Europäische Venture Capital Fonds sind solche Risikokapitalfonds, die die strengen Kriterien der EU-Verordnung vorallem betreffend Investorenschutz erfüllen und nach ihrer Registrierung in ALLEN Märkten der EU in Start-Ups oder schnell wachsende KMUs (Scale Ups) investieren dürfen.
Die dringende Notwendigkeit grenzüberschreitender Investitionstätigkeit ergibt sich aus der Tatsache, dass derzeit in der EU das Risikokapital auf wenige Mitgliedsstaaten konzentriert ist (Gesamtvolumen 2015: EUR 40 Milliarden, davon in UK, Deutschland und Frankreich 77%). Hingegen ist in den jüngeren EU-Mitgliedssstaaten Osteuropas aber auch in Griechenland praktisch kein Risikokapital für die Unternehmen verfügbar.
Als langjähriger Fürsprecher in Brüssel für die Bewahrung des realwirtschaftsorientierten Regional- und Kundenbanken – in meinem Fall der Sparkasse – war es mir daher wesentlich, dass der Vorschlag der EU-Kommission zu diesen beiden Kapitalmarktinstrumenten sich sehr nah an dem Wesen der Regionalbanken und den Bedürfnissen der KMUs orientiert.
KMUs bilden das Rückgrat der Realwirtschaft
Die Bedeutung von KMUs sowie ihre Schlüsselrolle bei der Erholung der europäischen Volkswirtschaft sind auf den ersten Blick offensichtlich. Dennoch lohnt es sich kurz aufzuzeigen, welchen wesentlichen Beitrag KMUs zum BIP leisten und wie entscheidend sie als Arbeitgeber sind.
Den jüngsten statistischen Erhebungen zufolge sind 99,8% aller europäischen Unternehmen als KMUs einzustufen. Diese erwirtschaften rund 58% der gesamten Bruttowertschöpfung europäischer Unternehmen. Darüber hinaus beläuft sich mit 88,8 Millionen Arbeitsplätzen ihr Anteil an der Beschäftigung im privaten Sektor auf knapp 67%. Zirka 85% der europäischen KMUs sind im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor tätig. Diese KMUs beschäftigen insgesamt 74 Millionen Mitarbeiter und erreichen eine jährliche Wertschöpfung in Höhe von EUR 2,9 Bill.
Auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen spielen KMUs eine zentrale Rolle: Von 2002 bis 2010 entstanden 85% der neuen Stellen in der EU bei KMUs. Angesichts der hohen Arbeitslosenquoten in zahlreichen Ländern des Euroraums sind KMUs für die Schaffung von Arbeitsplätzen im Zuge der Erholung von der Finanz- und Schuldenkrise also noch bedeutender geworden. Aufgrund ihrer zentralen Rolle in der Realwirtschaft sind KMUs für eine nachhaltige Konjunkturerholung und ein ausgewogenes Wachstum besonders wichtig.
Start Ups, Innovative KMUs, Soziale Unternehmen
Die Forcierung europäischer Risikokapitalfonds mit grenzüberschreitender Investitionstätigkeit erachte ich als erforderlichen Schritt, um in Zeiten der durch Basel III ausgelösten Kreditfinanzierungsklemme erschwerten Bankenfinanzierung, eine zustäzliche Finanzierungsquelle für Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Ursache für den erschwerten Zugang zu Krediten liegt in der verfehlten europäischen Umsetzung von Basel III nach dem Grundsatz „one size fits all“. Dadurch wurden die Eigenkapitalanforderungen ungeachtet des Geschäftsmodells, des Risikoprofils und der ökonomischen Funktion der einzelnen Banken uniformiert.
Daher
- wir fordern von den EU-Gesetzgebern mehr Entschlossenheit bei der Festlegung und Umsetzung einer umfassenden Strategie zur Finanzierung der Realwirtschaft. Die Investitionen müssen primär der Realwirtschaft zugute kommen, die sich durch Innovationsfähigkeit, Wachstum und soziale Verantwortung auszeichnet
- Der Anlegerschutz muss bei den beiden Fonds gewährleistet sein
- die EU muss konkrete und konsequente Maßnahmen setzen, um einerseits den Banken wieder zu ermöglichen, ihre Kernaufgabe der Finanzierung der Realwirtschaft zu erfüllen, und um andererseits die Möglichkeiten der Eigenmittel- und Kapitalmarkt-Finanzierung wesentlich zu verbessern und die diesbezüglich bestehenden Hindernisse im Zuge der Errichtung der Kapitalmarktunion abzubauen.
- Nach wie vor begünstigen die Eigenkapitalregularien der europäischen Banken deren Wertpapierinvestitionen insbesondere in Staatsanleihen gegenüber Kreditfinanzierungen von Unternehmen.. Das ist endlich abzustellen.
- Zusätzlich verlangen wir eine schon längst überfällige Regulierung des Schattenbankensektors. In Europa sind 48,8% des weltweiten Volumens von 75,2 Billionen Dollar im Schattenbanksektor geparkt. Solange dieser unerfreuliche und risikoreiche Zustand nicht verändert und reglementiert wird, stehen die Chancen für die nachhaltige Stabilisierung der EU-Finanzwirtschaft schlecht
- Wir fordern eine Überarbeitung zu Änderungen der Basel-III-Kapitalanforderungen, damit neben dem so genannten Faktor zur Unterstützung von KMU (SME Supporting Factor) auch noch ein Faktor zur Unterstützung von Sozialunternehmen (Social Enterprises Supporting Factor) eingeführt wird. Damit sollen die Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko bei einem finanziellen Engagement in Sozialunternehmen gesenkt werden können.
Meine gesamte Stellungnahme finden Sie übrigens HIER